BahnInfo-Sonderseite
Südnorwegen
Auf der nachfolgenden Sonderseite möchten wir einige interessante Bahnbetriebe und -strecken im Süden Norwegen vorstellen.
S-Bahn Oslo
Die Geschichte der Osloer S-Bahn beginnt im Jahre 1922 mit der Elektrifizierung der ersten Strecken (15 kV, 16 2/3 Hz). Die ersten eingesetzten Züge waren die Baureihen 62 (1931-1933 gebaut, Höchstgeschwindigkeit 70 km/h), 64, 65 (in Betrieb bis 1993) und 67 (in Betrieb bis 1995). Als letzte Linie wurde die Strecke in Richtung Drammen im Jahre 1980 in das Osloer S-Bahnnetz integriert. Eine Besonderheit ist, dass auch die nach Stockholm verkehrenden Intercity-Züge fahrplanmäßig in das S-Bahnnetz eingebunden sind. Eine weitere Besonderheit ist die von der Tochtergesellschaft "Gjøvikbanen" der norwegischen Staatsbahn NSB betriebene S-Bahnlinie L3. Ihre Strecke wird in eigenwirtschaftlicher Leistung bedient. Die anderen Linien werden von der Staatsbahn NSB direkt betrieben und erhalten staatliche Subventionen. Auf den Strecken der Osloer S-Bahn kommen heute hauptsächlich Züge der Baureihe 69 (gebaut zwischen 1970 und 1993, Höchstgeschwindigkeit 130 km/h) und der Baureihe 72 (Höchstgeschwindigkeit bis zu 160 km/h) zum Einsatz. In den letzten Jahren wurde die Flotte um die Baureihe 74 und 75 ergänzt.
Die wichtigste Strecke, die heute von S-Bahnzügen genutzt wird, ist die 1854 zwischen dem Osloer Ostbahnhof und Eidsvoll erbaute Hauptstrecke (heute Linie L12). Die zweite wichtige Verbindung im Netz ist die sog. "Kongsviger Linie" von Lillestrøm nach Kongsvinger (Linie L14). Am 15. November 1866 wurde die Bahnstrecke nach Drammen und Vikersund eröffnet (Linie R10), im Oktober 1872 erfolgte die Eröffnung einer Querverbindung zum Osloer Westbahnhof. Diese Strecke wurde damals in Schmalspur (1067 mm) ausgeführt und deshalb nicht zum Hauptbahnhof geführt. Die Strecke wurde aber 1909 umgespurt,1922 elektrifiziert und ist seitdem Teil des S-Bahn-Netzes.
Die Eröffnung der Sørland Line von Hokksund nach Kongsberg (Linie L12) erfolgte am 10. November 1871. Zudem gibt es noch die østfold Linie vom S-Bahnhof Moss nach Halden (Linie R20), sie wurde am 2. Januar 1879 eröffnet. Die Verlängerung der østfold Line von Ski über Mysen (Linie L22) nach Sarpsborg erfolgte am 24. November 1882.Die bereits erwähnte Gjøvikbanen nach Jaren (Linie L3) wurde im Dezember 1900 und weiter nach Gjøvik im November 1902 eröffnet. Die Gjøvikbanen ist heute mit fast 120 Kilometer eine der längsten S-Bahnstrecke im Osloer Netz.Im September 1927 wurde die Linie vom Osloer Ostbahnhof nach Lillestrøm und im April 1929 die Verlängerung von Drammen nach Kongsberg (heutige Linien L1, R10, L12, L13 und L14) fertiggestellt. Die Zweiglinie nach Brakerøya (heute Linie R10) ist im Mai 1930 elektrifiziert worden und heute Teil des erweiterten S-Bahnnetzes. In den 1930er Jahren folgten die østfold zwischen Bekkelaget und dem Ostbahnhof und die Strecke nach Kolbotn. In den 1950er und 1960er waren die meisten S-Bahnstrecken bereits elektrifitziert und erhielten nach und nach einen eigenen, von der Fernbahn getrennten Gleiskörper.
Das aktuell größere Eisenbahnbauprojekt in Oslo ist die Follo-Linie, die den Osloer Hauptbahnhof direkt mit der S-Bahnstrecke in Richtung Skien (Linien L1/R10) mittels eines 20 Kilometer langen Tunnels unter dem Stadtgebiet verbinden soll. Im Tunnel sollen die S-Bahnzüge Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometer pro Stunde fahren können. Die Eröffnung der Follo-Linie ist für 2018 geplant.
Anzeigetafel mit den abfahrenden und ankommenden S-Bahnzügen in der Osloer Zentralstation (links) und Liniennetz der Osloer S-Bahn (rechts)
Straßenbahn Oslo
Das Straßenbahnnetz Oslos hat einen Umfang von über 130 Kilometern. Die sechs Linien verkehren auf Gleisen in Normalspurweite und halten derzeit an 99 Stationen im Stadtgebiet. Die Geschichte der Osloer Straßenbahn beginnt im Oktober 1875 mit der Eröffnung einer Pferdestraßenbahnlinie. In den Folgejahren wurden insgesamt vier Pferdebahn-Strecken in Betrieb genommen: vom Marktplatz nach Homansbyen, Munkedamsveien, Gamle Byen und Grünerløkka. Die erste elektrische Bahn nahm im Jahre 1894 ihren Betrieb vom Hauptbahnhof nach Majorstuen auf (heutige Linie 19). Die noch bestehenden Pferdebahnstrecken wurden nach und nach elektrifiziert. Die Vorort-Strecken nach Ekeberg, Lilleaker, Östenjö und Kjelsås sind noch vor dem Zweiten Weltkrieg eröffnet worden, die Trasse nach Lambertseter folgte dann 1957. Wie in anderen europäischen Städten war die Straßenbahn in den Plänen zum Umbau zur autogerechten Stadt bei den Verkehrsplanern in den 1960er Jahren "unbeliebt" geworden und sollte sukzessive eingestellt werden. Viele Straßenbahnstrecken wurden zu U-Bahnlinien umgestaltet, damit die Gleiskörper für verbreiterte Autostraßen genutzt werden konnten. Glücklicherweise entschieden sich die Osloer Stadtväter (im Gegensatz zu denen in anderen Städten) im Jahre 1977 für den Stopp des Rückbaus. Zwar wurden in den Folgejahren dennoch einige Strecken geschlossen, die Osloer Straßenbahn ist aber nach wie vor in Betrieb und erfreut sich bei den Fahrgästen großer Beliebtheit.
Straßenbahn in Oslo
Straßenbahn in Oslo
U-Bahn Oslo
Die Osloer U-Bahn (auf Norwegisch "T-Bane" genannt) ging ab 1966 aus mehreren Vorortbahn- und Straßenbahnlinien hervor. Heute gibt es sechs Linien (wovon die Linien 4 und 6 eine gemeinsame Ringlinie bilden) mit einer Länge von 86 Kilometern. Im Gegensatz zu anderen europäischen U-Bahnstrecken befinden sich nur wenige Bahnhöfe unterirdisch (nur 16 von 95 Stationen). Die Holmenkollbahn wurde am 16. März 1898 zwischen Majorstuen und Slemdal als erste U-Bahnstrecke in Betrieb genommen und in den Folgejahren bis zum Ausflugsziel Holmenkollen (Skisprungschanze) verlängert. Im Jahre 1916 erfolgte die Eröffnung des höchstgelegenen U-Bahnhofs der Stadt in "Frognerseteren", der auf einer Seehöhe von über 400 Metern liegt. Im Juni 1928 wurde die innerstädtische unterirdische Strecke zwischen Majorstuen und Nationaltheatret eröffnet – sie ist damit die erste "echte" U-Bahnstrecke Skandinaviens. Die Lilleakerbahn wurde als zweite Strecke 1930 eröffnet. In den folgenden Jahren schritt der U-Bahnbau auch im Osten der Stadt mit dem Strecken nach Helsfyr und Brynseng voran. In den 1950er Jahren begann man dann damit im Osten Oslos weitere Straßenbahnstrecken in U-Bahnen umzuwandeln. Bahnübergänge wurden dafür durch Unterführungen ersetzt und der Oberleitungsbetrieb der Straßenbahn gegen eine Stromschiene für die U-Bahn.
Gaustabanen
Im Jahre 1953 entstand die Idee, den kahlen Berg Gaustastoppen in der Region Telemark mittels einer Bahnstrecke auf seinen Gipfel touristisch zu erschließen. Von der 1170 Meter hohen Talstation an der Bergstraße nach Rjukan verkehrt eine Lorenbahn ohne nennenswerte Steigung bis zu einem unterirdischen Umsteigebahnhof im Berginneren. Hier erfolgt der Umstieg in eine Standseilbahn, die die Fahrgäste auf einer Strecke von mehr als einem Kilometer 650 Höhenmeter "erklimmen" lässt. Die Bergstation befindet sich unterirdisch wenige Meter unter dem Gipfelplateau auf einer Seehöhe von etwa 1800 Metern. Schon zur Eröffnung der beiden Teilstrecken 1959 stand aber mehr die militärische als die touristische Nutzung der Bahn im Vordergrund, da auf dem Berggipfel eine NATO-Radarstation errichtet wurde. Den ganzen Kalten Krieg über war die Bahn dem Militär vorbehalten. Erst nach einem mehrjährigen Versuchsbetrieb in den 1990er Jahren konnte im Jahre 2004 die Gaustabanen für den öffentlichen Verkehr freigegeben werden.
Eingang zur Talstation der Lorenbahn (links) und Fußweg zur Einstiegstelle in die Lorenbahn (rechts)
Die Lorenbahn wartet auf Fahrgäste (links) und Im Tunnel der Lorenbahn (rechts)
Standseilbahn in der Umsteigestation
Rjukanbanen
Rjukan war viele Jahre der Schwerpunkt der Wasserkraft-Elektrizitätsgewinnung Norwegens. Da es aus Richtung Oslo bis in die 1980er Jahre keine Straßen- und Bahnverbindung am Ufer des Tinnsjøsees gab, wurde im Jahre 1909 eine kombinierte Fähr- und Eisenbahnverbindung über den See ins Leben errichtet. Von Mæl (am Westufer des Sees) nach Tinnoset (am Südufer) verkehrten Eisenbahnfähren über eine Distanz von etwa 30 Kilometern über den See. Zwischen dem Fährhafen Mæl und der Stadt Rjukan wurde 1911 eine Bahnstrecke gebaut, die mit dem mitteleuropäischen Stromsystem (15 kV /16,7 Hz) elektrifiziert wurde. Das berühmte Kraftwerk Vermork (bei Rjukan) lieferte den Strom für die Eisenbahn, die auch Versorgungsaufgaben für das Kraftwerk und das angegliederte Chemiewerk übernahm. Berühmt wurde Vermork, da hier während des Zweiten Weltkriegs das sog. "schwere Wasser" für die Atombombenforschung gewonnen wurde. Zwischen den 1930er Jahren und dem Jahre 1970 gab es über diesen Weg direkte Zugverbindungen zwischen Rjukan und Oslo. Bis 1985 war die Fährverbindung für den Personenverkehr über den Tinnsjøsee in Betrieb, bis 1991 gab es noch vereinzelte Güterverbindungen und bis 2000 einen Museumsbahnbetrieb zwischen Mæl und Rjukan. Die Strecke der Rjukanbanen war eine der ersten Privatbahnen Europas. Seit 2000 liegen die Anlagen brach und sind dem Verfall preisgegeben. Trotz der über einen Jahrzehnt währenden Stilllegung hängt heute immer noch die Oberleitung auf der Strecke. Sie wurde zum Glück – hier in diesen entlegenen Winkel Norwegens - noch nicht von Kupferdieben entdeckt.
Mæl Hafen (links) und Tinnoset Hafen (1911) (rechts)
Eine Besonderheit stellt die S-Bahnlinie S60 dar. Sie wird von der privaten Bahngesellschaft "Ferrovie Luganesi" (FLP) betrieben. Die orangenen Züge der FLP verkehren auf Meterspurweite. Die Kleinbahn wurde am 5. Juni 1912 eröffnet. Seit ihrer Integration in das Tessiner S-Bahnnetz im Jahre 2007 verkehren die Züge werktags alle 15 Minuten. Die S60 ist eine der beiden letzten ursprünglich im Luganer Raum verkehrenden Schmalspurbahnen. Neben der S60 gibt es noch die ebenfalls privat betriebene, 1890 eröffnete Monte-Generoso-Zahnradbahn, die in den Sommermonaten zwischen dem S-Bahnhof Capolago (S10) und dem Gipfel des Monte Generoso verkehrt. Die seit 1982 elektrisch verkehrende Bahn dient nur noch touristischen Zwecken und ist deshalb tariflich nicht ins S-Bahnsystem integriert worden.
Karte: openstreetmap.org (links) und Strecke unter Fahrdraht in Seitenlage der Straße nach Rjukan. Im Hintergrund der Gaustastoppen, 2014 (rechts)
Autor: Andreas Jüttemann