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Odderbanen (S-Bahn Århus)
Das Eisenbahnnetz in und um die zweitgrößte dänische Stadt Århus steht vor einer grundlegenden Veränderung: In den kommenden Jahren soll ein Regiostadtbahn-Konzept nach Karlsruher Vorbild etabliert werden. Rückgrat des Konzepts sind die Eisenbahnstrecken der staatlichen Grenaabanen (auf der bislang dieselbetriebene Regionalzüge verkehren) und die private Odderbahnen, die Teil des Verkehrsverbundes mydtrafik ist und von der mitteljütischen Privatbahn betrieben wird. Diese Strecken sollen untereinander an zwei Stellen, zum einen über den Europaplads, zum anderen mit einer neuen Straßenbahnstrecke zwischen dem Århuser Hauptbahnhof, der Universität, dem Uniklinikum und den nördlichen Vorstädten verbunden werden. Die Straßenbahn in Århus ist übrigens 1971 gänzlich stillgelegt worden, feiert dann also ein Wiedererstehen.
Eigentlich war einst die Eröffnung des neuen Stadtbahnsystems für 2011 geplant, bislang (Stand März 2012) kann man im Stadtgebiet aber keine größeren Baumaßnahmen erkennen, lediglich die am Hafen entlangführende eingleisige Strecke der Grenaabanen über den Europaplads wurde in den letzten Jahren "aufgehübscht" und mit neuen Stationen versehen.
Odderbanen im S-Bahnhof Viby Jylland; rechts im Bild (hinter der Mauer) der Regionalbahnhof der Strecke nach Horsens
Zeugnis einer ganz anderen Zeit ist die bereits eingangs erwähnte Odderbanen. Sie wurde am 19. Juni 1884 als Vorortbahn erbaut und verkehrte zwischen Århus und dem Hafenort Hov. Am 14. Mai 1904 kam eine Zweigstrecke von Odder nach Horsens hinzu. Diese Strecke wurde aber im Frühjahr 1967 wieder eingestellt. Ebenso musste mangels Rentabilität der Streckenabschnitt zwischen Odder und Hov am 31. März 1977 aufgelassen werden. Spätestens zu dieser Zeit hätte die bis dato werktags halbstündlich verkehrende Odderbanen den Titel "S-Bahn" bekommen müssen. Denn ebenso wie im Deutschland jener Zeit wurde 1934 in Dänemark die Bezeichnung S-Bahn, dänisch "S-Tog", für den Vorort-Taktverkehr eingeführt. Allerdings blieb dieser Begriff im zentralistischen Dänemark der Hauptstadtverkehre rund um Kopenhagen vorbehalten. In Århus blieb man, da es sich ja ohnehin nur um eine einzige Strecke handelte, beim ursprünglichen Namen "Odderbanen". Lediglich in einigen touristischen Stadtplänen benutzt man - der Bekanntheit wegen - das weiß-rote S-Symbol der Kopenhagener "S-tog", analog zum deutschen grün-weißen "S".
Odderbanen fährt in den Hauptbahnhof von Århus ein
Im Volksmund wird die Bahn aber auch gerne "Oddergrinsen", also übersetzt "Schwein aus Odder" genannt. Dieser merkwürdige "Kosename" geht wohl auf das als schweineschnauzenähnlich empfundene Aussehen der auf der Odderbanen verkehrenden Diesel-Triebwagen vom Typ Lynette zurück, die in den Jahren 1968 bis 1984 gebaut wurden und – mittlerweile etwas in die Jahre gekommen – bis zur Eröffnung des Stadtbahnsystems in naher Zukunft ihren Dienst auf der Strecke verrichten werden. Dieser Triebwagentyp wird übrigens auch auf der anderen mitteljütischen Eisenbahnstrecke "Lemvigbanen" an der Nordseeküste eingesetzt.
Da auch mit der Integration der Odderbanen-Strecke in das Århuser Stadtbahnnetz eine Elektrifizierung der Abschnitte zwischen Århus und Odder bzw. Århus und Grenaa vorerst nicht vorgesehen ist, ist anzunehmen, dass die bisweilen auf der Grenaabahn zum Einsatz kommenden Dieseltriebwagen vom Typ Desiro auch bis Odder verkehren werden. Damit wäre aber erstmals eine umsteigefreie Verbindung zwischen Odder und Grenaa ohne Umstieg am Århuser Hauptbahnhof möglich, und somit eine "richtige" S-Bahnstrecke vom nördlichen ins südliche Umland der dänischen Universitätsstadt geschaffen.
Autor: Andreas Jüttemann