BahnInfo-Sonderseite
Zu Besuch bei der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn
Am 26. Juli 2007 war BahnInfo bei der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn (OBS)
zu Gast. Diese im Thüringer Wald gelegene Bahn (ein RegioNetz der DB RegioNetz Infrastruktur GmbH und der DB RegioNetz Verkehrs GmbH, beides 100%-ige Töchter der DBAG) ist für jeden Eisenbahnfreund einen Besuch wert, da
sie einige Besonderheiten bietet:
- Zunächst die namensgebende Oberweißbacher Bergbahn von Obstfelderschmiede nach Lichtenhain. Sie ist die steilste Bergbahn der Welt, auf der normalspurige Eisenbahnfahrzeuge transportiert werden können. Hierfür steht neben dem Personenwagen als zweites Fahrzeug eine Güterbühne zur Verfügung, auf der die normalspurigen Fahrzeuge befördert werden.
- Auf der an die Bergbahn anschließenden so genannten "Flachstrecke" von Lichtenhain nach Cursdorf fahren Gleichstrom-Triebwagen der BR 479.2, die von Aussehen und Technik her eine Mischung aus Straßenbahn und Berliner S-Bahn sind.
- Die Schwarzatalbahn von Rottenbach nach Katzhütte ist die letzte Bahnstrecke in Deutschland, auf der "Ferkeltaxen" der BR 772 im Regelverkehr eingesetzt werden. Ein Gespann aus 772 140/141 dient als Reservefahrzeug und wird im Regelfahrplan eingesetzt, wenn einer der beiden regulären Triebwagen der BR 641 wegen Reparaturen oder Inspektion nicht verfügbar ist. (Diese beiden Triebwagen der Baureihe 772 sind derzeit die einzigen im Fahrzeugbestand der DBAG)
Wie Sie sehen, bietet diese Bahnlinie einige Besonderheiten, so dass wir sie detailliert vorstellen möchten. Wer die Bahn besuchen möchte, findet auf der Webseite der OBS den Fahrplan sowie eine Karte zum Streckennetz.
Die Schwarzatalbahn
Der Ausgangspunkt unserer Reise ist der Bahnhof Rottenbach. Diesen Ort kann man bequem u.a. mit den
RegionalExpress-Zügen Saalfeld - Erfurt erreichen. In Rottenbach beginnt dann die
Reise mit der Schwarzatalbahn (Stundentakt). Die Strecke steigt bis zu 30 Promille
an und man merkt, wie sich der Triebwagen anstrengt.
Nach 2,5 km wird der ehemalige Bahnhof Köditzberg erreicht. Hier zweigte einst (bis 1973) eine Nebenstrecke nach Königsee ab. Heute halten hier keine Züge mehr. Vom einstigen Bahnsteig sind jedoch noch Reste erkennbar. Erster Haltepunkt unseres Zuges ist Bechstedt-Trippstein. Hier fällt eine weitere Besonderheit der Strecke auf. Die Namen der Bahnhöfe und Haltepunkte sind zumeist Doppelnamen. Dies liegt daran, dass beim Bau der Strecke die Bahnhöfe oft zwischen 2 Orten gebaut wurden, damit sich zwei Orte die Baukosten teilen können. Heute ist dies eher ein Nachteil, da die Bahnhöfe außerhalb der Orte liegen.
Der nächste Bahnhof dürfte für all diejenigen interessant sein, die sich für Modellbahnen
oder für deutsche Geschichte interessieren: Wir erreichen Schwarzburg, ein Bahnhof
der vielen Modellbahnern bekannt vorkommen wird, seit die Firma Faller ihn als Modell
nachgebaut hat. Schwarzburg war einst Fürstensitz und so besaß auch der Bahnhof
ein eigenes Gleis für den Fürsten. Allerdings soll der Fürst nicht ein einziges
Mal mit dem Zug ab Schwarzburg gefahren sein. Geschichtlich ist Schwarzburg deshalb
interessant, weil hier 1919 von Friedrich Ebert die Weimarer Verfassung unterzeichnet wurde.
Etwas später wird einer der beiden Kreuzungsbahnhöfe, Sitzendorf-Unterweißbach, erreicht. Ab Sitzendorf folgt die Bahnstrecke dem Verlauf der Schwarza. Nächster Halt des Zuges ist Obstfelderschmiede, wo man die Möglichkeit hat, in die halbstündlich verkehrende denkmalgeschützte Bergbahn nach Lichtenhain umzusteigen. Auf der Schwarzatalbahn geht es weiter über den zweiten Kreuzungsbahnhof Mellenbach-Glasbach, den Haltepunkt Meuselbach-Schwarzmühle bis nach 25 Kilometern der Endpunkt der Strecke, Katzhütte, erreicht wird.
Zu DDR-Zeiten gab es übrigens auch Fernverkehr auf der Schwarzatalbahn. Ein tägliches D-Zug-Paar
verband Katzhütte mit Dresden.
Das Foto rechts zeigt 641 020-3 in Schwarzburg.
Die Bergbahn
Die Oberweißbacher Bergbahn (Spurweite 1800 mm) wurde 1923 in Betrieb genommen. Auf einer Länge von 1380 Metern überwindet sie bei einer maximalen Steigung von 25% einen Höhenunterschied von 323 Metern. Während die meisten
Standseilbahnen zwei Personenwagen besitzen, besitzt diese Bergbahn einen Personenwagen
und einen Transportwagen (Güterbühne), mit dem normalspurige Eisenbahnfahrzeuge nach oben befördert
werden können. Bis 1966 wurden hauptsächlich Güterwagen befördert, teilweise auch
besondere Fahrzeuge. So wurde Ende der 60er Jahre während Arbeiten an der Oberleitung
der Flachstrecke auch eine Ferkeltaxe auf der Bergbahn nach oben befördert.
Fotos von Sondertransporten (darunter auch die erwähnte Ferkeltaxe) sind auf der Webseite zur OBS zu betrachten.
Heute
ist auf dem Transportwagen hauptsächlich ein ehemaliger Beiwagen der Kleinbahn Schleiz
- Saalburg aufgesetzt, um mit beiden Wagen Personen befördern zu können.
Die Abfahrten finden alle 30 Minuten statt.
Das Foto rechts zeigt den Beiwagen auf der Güterbühne an der Talstation Obstfelderschmiede
Die Flachstrecke Lichtenhain - Cursdorf
Oben in Lichtenhain angekommen lädt seit Juni 2007 ein ehemaliger "Halberstädter" Nahverkehrswagen
zum Verweilen ein. In dem als "Bistropa" getauften Wagen ist inzwischen eine Gaststätte
untergebracht. Außerdem besteht die Möglichkeit zur Weiterfahrt mit den Triebwagen
nach Cursdorf, wobei zwischendurch noch im namensgebenden Ort Oberweißbach gehalten wird.
Diese so genannte "Flachstrecke" ist mit einer 600V-Gleichstrom-Oberleitung elektrifiziert und wird mit Elektrotriebwagen der BR 479.2 betriebenen.
Die drei Wagen (479 201, 203 und 205) wurden im Raw Berlin-Schöneweide hergestellt. Offiziell war es ein "Umbau"
aus den vorher hier verkehrenden Triebwagen (darunter auch ein ehemaliger Triebwagen
der Leipziger Straßenbahn), de facto war es jedoch ein Neubau, da von den "alten"
Triebwagen so gut wie keine Teile verwendet wurden. Es waren politische Gründe,
die dazu führten, dass die Wagen als Umbau bezeichnet wurden, da die DDR aufgrund
des RGW-Abkommens keine deratigen Fahrzeuge herstellen durfte. Lediglich der Umbau
war gestattet. Die Herkunft der Wagen ist nicht zu übersehen, so besitzen sie eine
große Ähnlichkeit zu den modernisierten "Stadtbahnern" der Berliner S-Bahn, der
Baureihe 276 (später BR 476): Türen, Notbremse, Türschließsignal, Fenster,
wurde von den S-Bahn-Wagen übernommen.
Weitere Informationen und Details zu diesen besonderen Fahrzeugen sind
auf der Webseite zur OBS zu finden.
Das Foto rechts zeigt 479 203-2 in Lichtenhain.
2002: Neuanfang unter der OBS
Die Strecke der Schwarzatalbahn von Rottenbach bis Katzhütte musste am 27. Mai 2000 aufgrund schwerer Oberbaumängel stillgelegt werden. Zu diesem Zeitpunkt waren hier Triebwagen der Baureihe VT 628 unterwegs, welche die zuvor eingesetzen lokbespannten Züge (mit DR-BR 114, später BR 204) ablösten. Viele hatten die Strecke bereits aufgegeben, doch Dank der "Mittelstandsoffensive" der Deutschen Bahn AG und der umfangreichen Unterstützung des Landes Thüringen wurde unter der neugegründeten "Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn" (OBS) die Strecke umfassend modernisert. Die OBS wurde eines der damals 4 RegioNetze der am 01.01.2002 von der DBAG neu gebildeten DB RegioNetz Verkehrs GmbH (100%-ige Tochter der DB Regio AG) und der DBAG RegioNetz Infrastruktur GmbH (100%-ige Tochter der DB Netz AG). Beide GmbH's arbeiten vor Ort unter einem Dach, so dass es kurze Entscheidungswege gibt. Dies ist der große Vorteil der RegioNetze. Die OBS (DB RegioNetz Infrastruktur GmbH) wurde Pächter der gesamten Infrastruktur, mit der Maßgabe, alles in eigener Verantwortung zu unterhalten und auszubauen. Vom Land Thüringen erhielt die OBS einen Verkehrsvertrag für 20 Jahre und finanzielle Mittel zum Wiederaufbau der Anlagen. Am 15. Dezember 2002 nahm sie feierlich ihren Betrieb auf, mit der umfangreich instand gesetzten Bergbahn, mit den beiden Triebwagen 641 019-5, 641 020-3 und den 3 Triebwagen der BR 479.2 der Flachstrecke. Sie beschäftigt derzeit 29 Mitarbeiter und hat einige Besonderheiten. So wird auf der Schwarzatalbahn nach der Fahrdienstvorschrift für "Nicht bundeseigene Eisenbahnen" (FV NE) gefahren,
einmalig unter dem Dach der DBAG.
Auf diese Weise kann ein einfacher und kostengünstiger Betrieb durchgeführt werden.
Weiterhin wurde auf den bei der Bahn üblichen Zugfunk verzichtet; die Kommunikation zwischen Zug und Zugleiter erfolgt über ein öffentliches Mobilfunk-Netz (GSM). Ein entsprechender Vertrag zur Netzversorgung der Strecke wurde mit dem Netzbetreiber geschlossen.
Die Kosten dafür sind deutlich geringer als bei einem herkömmlichen Zugfunk-Netz. Zusätzlich haben alle Fahrzeuge ein Handy an Bord. Bei Verspätungen (die sehr selten vorkommen; die OBS hat eine Pünktlichkeitsrate von 99%) kann der Lokführer Verspätungen im Handy eingeben und an die auf den Haltepunkten vorhandenen elektrischen Anzeigetafeln schicken, um so die Fahrgäste zu informieren.
Bald stellte man jedoch fest, dass der Betrieb mit zwei Triebwagen und angemieteten Reservefahrzeugen zu Problemen führt, ein eigenes Reservefahrzeug wäre günstiger. Zu diesem Zweck wurden die "Ferkeltaxen" 772 140/141 angeschafft, die so im Schwarzatal bei Planeinsätzen noch zum Regeltarif benutzt werden können. Sie sind nicht nur die letzten Ferkeltaxen, die in Deutschland im Plandienst eingesetzt werden, sondern auch die einzigen Ferkeltaxen mit einem geschlossenen WC-Abwasser-System. Dieses wurde bei der Revision im Jahr 2006 eingebaut, wie auch GSM-R-Zugfunk, so dass sie bundesweit einsetzbar sind. Die Ferkeltaxen fahren im historischen Rot durchs Land und sind so ein Anziehungspunkt für zahlreiche Eisenbahnfreunde, die noch mal Ferkeltaxen im Plandienst erleben möchten.
Geplante Einsätze der Ferkeltaxen können auf der Webseite zur OBS oder auf der BahnInfo-Sonderseite
www.baureihe772.de
abgefragt werden.
Weiterhin können die Ferkeltaxen auch für Sonderfahrten gemietet werden.
Das Foto rechts zeigt zwei Fahrzeug-Generationen (Ferkeltaxe und VT 641) nebeneinander in Rottenbach.
BahnInfo-Fotogalerie zum Besuch bei der OBS
Webseite der OBS
BahnInfo-Startseite
Buch-Tipp für alle, die den Besuch bei der OBS auch für ein paar Wanderungen nutzen möchten:
Bahn fahren und wandern Schwarzatal im Thüringer Wald
Wir danken der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn für die freundliche Unterstützung!