- am 26.07.2009
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Quer-durchs-Land-Ticket so unnütz wie überteuert?

Das ab 1. August von der DBAG eingeführte Angebot des "Quer-durchs-Land-Tickets" (BahnInfo berichtete) dürfte hinsichtlich seines Gültigkeitszeitraums und des Preiskonzeptes so unnütz wie überteuert sein. Der Konzern spricht sowohl hierbei wie auch bei den wochentags analog gültigen Länder-Tickets und deren Single-Varianten im Allgemeinen von einem touristischen Angebot, welches erst ab 9 Uhr gilt.
Wer nun z.B. einen Tagesausflug machen will, der legt mehr Wert darauf, so früh wie möglich am Tag losfahren zu können als darauf, bis spät in die Nacht (3 Uhr des Folgetages) unterwegs sein zu können, um wieder nach Hause zu kommen.
Am Beispiel einer geplanten Tagestour von Berlin ins westfälische Münster, in deren Rahmen man vom dortigen Aufenthalt auch etwas haben will, ergäbe sich - ungeachtet des Gültigkeitszeitraums - folgender Fahrplan (s. Grafik) nach den aktuellen Daten (evtl. Baumaßnahmen auf der Strecke nicht berücksichtigt).
Die Bahn argumentiert sowohl bei den Länder-Tickets als auch bei deren Einzelperson-Ausführung als Single-Tickets mit dem Umstand, Touristen mit dem Ziel, einen Tagesausflug mit einer längeren Anreise zum Zielort verbinden zu müssen, würden Berufspendlern auf stark frequentierten Strecken die Sitzplätze wegnehmen.
Auf unserer Beispielroute würde dies auf folgenden Abschnitten zu Problemen bei der Wagenkapazität führen können:
- Berlin-Ostbahnhof - Potsdam (- Werder - Brandenburg/H)
- Genthin - Magdeburg
- Magdeburg - Helmstedt
- Helmstedt - Braunschweig
Auf der Strecke Magdeburg - Braunschweig konnte bislang kein so hohes Fahrgastaufkommen durch Berufspendler beobachtet werden, dass es zu nennenswerten Engpässen gekommen wäre.
Wir gehen davon aus, es gäbe keine Einschränkung des Gültigkeitszeitraums und es würde der erste Zug des RE1 ab Berlin-Ostbahnhof (4:59 Uhr) genommen, der eine Verbindung in dieser Richtung ermöglicht. Zu dieser Uhrzeit dürfte sich selbst das Fahrgastaufkommen durch besagte Berufspendler aus Berlin raus noch in gut überschaubarem Maße halten, da zwischen 5 und 6 Uhr im Allgemeinen noch nicht viel los ist und die meisten Pendler wohl aus dem Brandenburgischen nach Berlin rein fahren, nur verschwindend gering sei dagegen die Menge derer, die auf ganzer Strecke den ersten Abschnitt bis Brandenburg/Havel befahren würden.
Hier wäre sich niemand im Weg.
Ähnliches Bild ergibt sich infolge eigener Beobachtungen zwischen Genthin und Magdeburg. Zwar lässt die beschauliche Ruhe, die ab Brandenburg Einzug hielt, wieder nach, aber die Menschentraube, die in Genthin auf dem Bahnsteig steht und sich an einer einzigen von zehn möglichen Türen pro Zug zu drängeln scheint, täuscht. Auch hier verliert sich die Masse im Wageninneren so schnell, dass man sich zeitweilig zu glauben schwer tut, es sei überhaupt jemand zugestiegen. Beobachtet man im Magdeburger Hauptbahnhof die Menge an Fahrgästen, die den Zug am dortigen Endbahnhof verlassen, entspricht diese vom Eindruck her deutlich weniger als dem, was man während der ganzen Fahrt seit Berlin hat einsteigen bzw. auf den Bahnsteigen hat stehen sehen.
Was die RegionalBahn RB36206 nach Braunschweig betrifft, würde sich trotz weniger eingesetzter Doppelstock-Wagen als zuvor ganz klar erkennbar niemand daran stören können, es würden zu wenig Sitzplätze zur Verfügung stehen. Also sind auch hier die Anforderungen durch Pendler hinsichtlich der Wagenkapazität nicht klar erkannt worden, was nicht schlecht ist.
Schlecht hingegen ist, wenn an diesen Kapazitäten später gespart wird, was nicht neu wäre. Fahrgast-Kapazitäten werden nun mal nicht an einzelnen Fahrgastzahlen sondern am Durchschnitt errechnet. Würde man hier also sparen, könnte das sogar zu Lasten der Pendler untereinander führen.
Die Tageszeit, die in diesem Bereich dann tatsächlich mitten im Berufsverkehr liegt, tendiert allerdings zum Ende der Fahrt hin schon wieder zu 9 Uhr. Dem Zeitpunkt, zu dem das Quer-durchs-Land-Ticket dann gültig sein wird und es auch die Länder(-Single)-Tickets sind.
Auf den übrigen Abschnitten mag es im Großraum-Bereich Hannover vielleicht zum einen oder anderen Engpass kommen, was dann aber mehrere Gründe haben kann und sicher auch einige andere als nur Pendler. Von Letzteren werden die meisten wohl Hannovers recht weiträumiges Netz an S-Bahnlinien sowie die Verkehrsmittel der üstra nutzen.
Parallel zu unserer Beispielverbindung begleitet uns bis nach Haste die Strecke der S2 über den Südzweig (Barsinghausen a. Deister) und auf direktem Weg bis nach Minden sogar die S1. Erst dort würde es evtl. wieder ein wenig voller werden können.
Fazit: Die Ankunftszeit in Münster um 12:55 Uhr ist ansich schon grenzwertig, aber noch vertretbar, da man noch einen großen Teil des Nachmittags dort verbringen kann.
Fährt man nun diese Tour von immerhin rund acht Stunden Fahrtdauer erst gemäß den genannten Angeboten, geht es um 9:02 Uhr ab Alexanderplatz los und man wäre um 16:55 Uhr in Münster.
Geht man davon aus, die Rücktour würde die gleiche bzw. etwas mehr oder etwas weniger Zeit beanspruchen, wäre zu befürchten, der Zug, mit dessen Hilfe man noch vor Mitternacht wieder in Berlin wäre, sei bereits abgefahren.
Tatsächlich hat man einen Aufenthalt von sage und schreibe neun Minuten in Münster, um überhaupt noch vor drei Uhr morgens wieder in Berlin ankommen zu können. Um genau zu sein, wäre die Ankunft in Berliner Ostbahnhof dann bereits um 01:28 Uhr. Die Folgeverbindung um 18:05 Uhr ab Münster würde einem bereits einen nächtlichen Zwangsaufenthalt in Stendal von gut viereinhalb Stunden bescheren.
Na dann gute Nacht!

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