- am 11.01.2024
- auf der Aktuellseite Berlin-Brandenburg
- in der Kategorie U-Bahn
Tiefer als Klo: der neue JK
„Wer kann fassen, dass hier was richtig gelaufen ist?“ Mit diesen markigen Worten begrüßte heute der neue BVG-Chef Henrik Falk das Premierenfahrzeug der zukünftigen Baureihe JK im Bahnhof Olympia-Stadion und lobte das Teamwork aller Verantwortlichen. „Die letzten zehn Jahre hat überraschenderweise die BVG im Zusammenspiel mit den politischen Vertretern des Landes, mit der Verwaltung und mit den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, richtig, richtig, richtig was richtig gemacht!“
Ein Resümee, dem auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner unumwunden zustimmt und der am liebsten jeder einfahrenden U-Bahn einen Festakt mit Kunstnebel und Musik bereiten würde. Bis zu 1500 Wagen der Baureihen JK sowie J, deren Komponenten trotz der Unterschiede zwischen Groß- und Kleinprofil auf Kompatibilität getrimmt werden, können bis zum Jahre 2035 für insgesamt drei Milliarden Euro beim Hersteller Stadler abgerufen werden. Umgerechnet kostet ein Wagen zwei Millionen Euro, acht Millionen werden für den heute vorgestellten Vierteiler fällig.
Kostentechnisch ist das Fahrzeug damit alles andere als günstig. Zum Vergleich: Hamburgs DT5 schlug mit fünf Millionen Euro zu Buche, der Düsseldorfer U-Stadtbahnwagen HF6 liegt pro Einheit bei läppischen drei Millionen. Nur München muss bei einem Stückpreis von 11 Millionen Euro für die neueste Generation ihres C2 tiefer in die Tasche greifen. Nichtsdestoweniger scheint bei der neuen U-Bahn Sparsamkeit sehr wohl eine Rolle gespielt zu haben. Offiziell begründet Stadler zwar die ihren Vorgängern gegenüber deutlich sichtbar eingedampften Fensterflächen mit dem für die Fahrzeugtechnik in den Wänden benötigten Platz. Gleichwohl bleiben Zweifel, ob man den ohnehin rar gesäten Ausguck mit seitlicher Fahrgastinformation noch weiter hätte verkleinern müssen, oder ob dafür nicht abseits der Verglasung genug Platz gewesen wäre. Zumal es anstelle von den bislang üblichen drei Fahrgastraumtüren nun wieder wie bei der Baureihe GI/E lediglich zwei Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten gibt.
Mit seinen blechernen Seitenwänden geizt der JK jedenfalls nicht. Bildlich gesprochen kommt der Wagenkasten brutalistisch daher und bietet buchstäblich sehr viel Angriffsfläche für Graffiti - sowohl von außen als auch von innen. Die allgemeine Verwitterung dürfte im Laufe der Jahre ihr Übriges an der dominierenden Karosserie tun. Positiv treten die in den Fronten eingelassenen farbigen Zugzielanzeiger in Erscheinung, die man selbst auf weite Distanzen deutlich erkennen kann. Innen beeindruckt die Neue trotz der wegen des Kleinprofils engen Verhältnisse mit einem weniger klaustrophobischen Raumgefühl, als man es vom Vorgängerzug IK kennt.
Dafür sorgen auch die Displays der Fahrgastinformation, die man innen in Längsrichtung an den Wänden platziert hat. Bedauerlicherweise wird die darauf eingeblendete Perlschnur nicht vollständig visualisiert, sondern bildet nur einen Teil der Linie ab. Neu in diesem Zusammenhang eingeführt werden soll bei der U-Bahn übrigens die doppelte Haltestellenansage nach Pariser Vorbild, wie heute gemunkelt wurde. Zuerst wird die Station demnach unmittelbar nach Abfahrt des Zuges und kurz vor Erreichen des Bahnsteiges abermals durchgesagt.
Eigenartig fühlt sich unterdessen die mit dem „Muster der Vielfalt“ bezogene Hartschalenbestuhlung an, auf denen man zumindest meint, jetzt tiefer zu sitzen. Oder wie es ein Gast heute präzise auf den Punkt brachte: „Ist tiefer als Klo!“
Ungeachtet aller kritischen Auslassungen bleibt zu hoffen, dass die Pleiten- und Pannenserie, die zu mehrjährigen Lieferverzögerungen geführt hat, endlich beendet ist. BVG-Betriebsvorstand Dr. Rolf Erfurt gibt sich optimistisch und meint, dass mit der Auslieferung der Serienfahrzeuge im Sommer dieses Jahres begonnen werden könne. Dann soll seinen Angaben zufolge auch der J für das Großprofil kommen. Etwas reservierter ist Stadler-Chef Jure Mikolcic. Er möchte sich ausdrücklich nicht auf einen Zeitplan festlegen und stellt die Qualität in den Vordergrund. Wichtig sei, dass alle am Ende mit dem Fahrzeug zufrieden seien, vor allem diejenigen, die damit arbeiten müssen.
Ob der Fahrgast mit dem Fahrzeug zufrieden sein wird, werden die Testfahrten zeigen, die ebenfalls im Sommer beginnen sollen. Heute jedenfalls war eine Mitfahrt noch nicht erlaubt, weil der Zug - wie es vor Ort hieß - noch keine Abnahme habe.
Von links nach rechts: Jenny Zeller (BVG), Jure Mikolcic (Stadler), Kai Wegner (CDU), Manja Schreiner (CDU), Henrik Falk (BVG) und Rolf Erfurt (BVG) freuen sich über den ersten Zug der Baureihe JK. Foto: Christian Linow
Die breiten fensterlosen Flächen fallen sofort auf. Schon deshalb wäre es ratsam, die Zugzielanzeige in der Karosserie unterzubringen. Foto: Christian Linow
Das Fahrzeuginnere wirkt auch im Kleinprofil großzügig gestaltet. Foto: Christian Linow
Der Arbeitsplatz des Fahrpersonals. Stadlers Anspruch: diejenigen, die mit dem Fahrzeug täglich arbeiten, sollen zufrieden sein. Foto: Christian Linow
Die Sitze wirken tiefer platziert als in anderen Zügen. Foto: Christian Linow
Die Fahrgastinformation wurde aus Platzgründen in Längsrichtung aufgehängt. Schön ist, dass es endlich eine digitale Perlschnur gibt. Noch schöner wäre, wenn die gesamthaft die Linie abbilden würde. Foto: Christian Linow
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