- am 25.04.2022
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Schönradler Allee - und für die Tram wird's eng
Heute Mittag hat Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zusammen mit der in Pankow für Mobilität zuständigen Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) in der Nähe des U-Bahnhofs Eberswalder Straße den anstehenden Umbau der Schönhauser Allee vorgestellt. Auf 720 Metern soll bis zum Start der Fahrradsaison 2023 auf beiden Seiten der Ein- und Ausfallstraße ein geschützter Radstreifen entstehen.
Beinahe radikal klingt der Startschuss für die Mobilitätswende, der jetzt heute auch an der Schönhauser Allee gefallen ist. So jedenfalls möchte es Verkehrssenatorin Bettina Jarasch, die gleich zu Anfang betonte: „Wir sind heute hier, um ihnen an einer ganz zentralen Strecke für den Bezirk Pankow und eigentlich für ganz Berlin zu zeigen, dass es vorangeht und wie sich diese Stadt verändern kann, wenn wir mit der Mobilitätswende vorankommen.“
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (links) und Pankows Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki stellen den neuen geschützten Radfahrstreifen vor, der ab 2023 in der Schönhauser Allee zwischen Danziger Straße und Stargader Straße entstehen soll. Foto: Christian Linow
Für die Schönhauser Allee zwischen Eberswalder/DanzigerStraße und Gleimstraße/Stargarder Straße bedeutet das konkret, dass beidseitig auf einer Länge von 720 Metern geschützte Radfahrstreifen mit einer Breite von 2,50 Meter entstehen, wo momentan noch geparkt wird. Anstelle von bislang je Richtung drei Fahrstreifen wird die Schönhauser Allee dann lediglich zwei Spuren haben. Parkhäfen gibt es keine mehr. Zugleich wird der Raumgewinn genutzt, um ebenfalls die Gehwege zu vergrößern.
Doch dieser Raum sei immer noch knapp, sagt Senatorin Jarasch. „Und der wird durch so eine Maßnahme auch nicht mehr. Das ist ja gerade die Grundherausforderung der ganzen Mobilitätswende. Wir können nur den vorhandenen Raum neu aufteilen.“ Dabei komme es natürlich auch zu Engpässen, weil man noch sehr viel motorisierten Individualverkehr habe und weil nach wie vor sehr viel Wirtschaftsverkehr über Lkw abgewickelt werde.
Auch an der Schönauser Allee könnte es zukünftig eng werden. Denn während Radfahrer*innen und Fußgänger*innen mehr Platz bekommen, wird er für die rollenden Autos knapper. Jedenfalls temporär, wenn auf der zweiten Spur Lieferfahrzeuge in den dort eigens für sie reservierten Zonen stehen. Dann bleibt bloß ein Fahrstreifen übrig, den sich ausgerechnet die Straßenbahn mit dem motorisierten Individualverkehr teilen muss. Und das, obwohl Pankows Bezirksstadträtin Anders-Granitzki heute während der Auftaktveranstaltung noch Wert auf die Ausgewogenheit zwischen den Verkehrsmitteln untereinander gelegt hatte. Die Schönhauser Allee sei ein Beispiel dafür, wie man die notwendigen Veränderungen im Straßenraum bewältigen wolle, „indem wir alle Mobilitätsformen und Bedürfnisse im Auge behalten für ein echtes Sowohl-als-auch in der Verkehrspolitik“, Anders-Granitzki wörtlich.
Noch ist Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch auf dem schmalen Hochbordradweg unterwegs. Doch hier auf der Schönhauser Allee bekommen Radfahrer*innen demnächst mehr Platz. Foto. Christian Linow
Senatorin Bettina Jarasch räumt durchaus ein, dass es während der Ladezeiten der Lkw - die jedoch auf die Tagesrandlage konzentriert würden - zu der Situation kommen kann, dass es nur noch eine Fahrspur gebe. „Das ist aber auch heute schon der Fall“, analysiert sie markig.
Gewiss, schon jetzt müssen die Lieferfahrzeuge in zweiter Reihe halten, wodurch sich der Verkehr ohnehin auf den Fahrstreifen der Tram verengt. Von einer Verkehrswende, die alle Mobilitätsformen im Auge behält, wie es Bezirksstadträtin Anders-Granitzki ausgedrückt hatte, kann indes wohl kaum die Rede sein. Ebenso wenig von einem Sowohl-als-auch. Denn an eine Vorrangschaltung im Sinne einer dynamischen Straßenraumfreigabe ist nicht zu denken. Genauso buchstäblich auf der Strecke bleibt der barrierefreie Ausbau der Haltestelle Milastraße. Strenggenommen wirft die sogar noch mehr Fragen auf.
Müssen heutzutage die Fahrgäste, um zur Straßenbahn zu gelangen, die Fahrbahn bis zur Mitte überqueren, gibt es mit dem Radfahrstreifen künftig eine weitere Hürde. Querungshilfen sollen laut Anders-Granitzki zu Fuß Gehenden helfen und die speziell für die Schönhauser Allee konstruierten Klebebetonsteine an derlei Stellen großflächiger unterbrochen werden, die sonst den Radfahrstreifen schützend vom übrigen Verkehr abgrenzen.
Die Haltestelle Milastraße gilt schon heute unter Fachleuten als gefährlich. Für die Fahrgäste dort verbessert sich die Situation nicht. Ebenso wenig wie für die Straßenbahn, die noch mehr Stau fürchten muss. Foto: Christian Linow
So erfreulich der Vorstoß an sich ist, so sehr hinterlässt der bevorstehende Umbau ein Geschmäckle mit Blick auf den ÖPNV. Nicht die Verkehrsmittel des Umweltverbundes untereinander ausspielen muss die Parole lauten. Ansonsten könnte in Berlin eine ähnliche Pleite wie in Karlsruhe drohen. Die Fächerstadt hat zwar ihr selbst gestecktes Ziel erreicht, dass das Fahrrad auf allen Wegen bei der Verkehrsmittelwahl mittlerweile satte 30% ausmacht. Den Preis dafür hat aber nicht der MIV bezahlt, der seine Stellung sogar um zwei Prozentpunkte auf 33% verbessern konnte. Vielmehr wurde der ÖPNV kannibalisiert, der trotz Straßenbahn und Tram-Train zwischen 2012 und 2018 von 19% auf 11,8% und damit in eine Liga zurückfiel, wie man sie sonst vor allem aus Busstädten wie Kiel kennt.

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