- am 06.08.2013
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Bahnhof der Tränen - Die Grenzübergangsstelle Berlin-Friedrichstraße

Bahnhof Berlin Friedrichstraße. Im Kaiserreich 1882 als Bestandteil der Berliner Stadtbahn für den Stadtschnellverkehr (heutige S-Bahn) und Fernverkehr eröffnet und in den 1920er Jahren erweitert, bildete er in den 1920er Jahren das Eingangstor zur pulsierenden Vergnügungswelt an der Friedrichstraße. 1923 gesellte sich die U-Bahn und 1936 die Nordsüd-S-Bahn, hier ebenfalls unterirdisch verlaufend, hinzu, so dass der Bahnhof auch als Umsteigestation Bedeutung gewann. Am 13. August 1961 begann für den Bahnhof Friedrichstraße schließlich das Kapitel, das ihn zu einem Symbol der Jahrzehnte langen Teilung Berlins machen sollte. Mit dem Mauerbau wurde er zum wichtigsten Grenzübergang Berlins. Gleichzeitig war er, im Osten liegend, Bestandteil des West-Berliner Nahverkehrssystem, an dem "extorial" zwischen den beiden im Tunnel verkehrenden Transitlinien und der Stadtbahn (West-S-Bahn und Fernverkehr) umgestiegen werden konnte. Dazu wurde die S-Bahn auf der Stadtbahn unterbrochen und der Bahnhof in zwei Systeme (Ost und West) baulich getrennt. Die bauliche Trennung sorgte auch dafür, dass sich die Bevölkerung aus Ost und West im Bahnhof nicht begegnen oder gar sehen konnte. Als Kontroll- und Übergangsstelle diente eine dazu neu gebaute Halle, der "Tränenpalast".
Das Buch gibt einen umfangreichen Überblick über die Historie des Bahnhofs von der Planung und dem Bau bis in die heutige Zeit und stellt dabei die Zeit der Teilung Berlins in den Mittelpunkt. Anhand schriftlicher und fotografischer Hinterlassenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, die während der Teilung zusammen mit der Nationalen Volkarmee ein nahezu perfektes Grenzregime im Bahnhof zeigten, rekonstruiert der Autor den Alltag an dieser Grenzübergangsstelle. Dabei lässt er auch Zeitzeugen zu Wort kommen, die z. B. als Grenzkontrollöre und Reichsbahner im Bahnhof gearbeitet haben oder nur "einfache" Grenzgänger waren, die die Kontrollen über sich ergehen lassen mussten, und berichtet über dramatische Fluchtversuche und Schicksale, wie das von seiner Mutter im Bahnhof allein zurück gelassene Mädchen, ebenso wie über den Spionage-Bahnhof, in dem Ost und West gleichermaßen Agenten schleusten, und dem Kaufhaus im Bahnhof.
Dokumente und zahlreiche - teils heimlich gemachte - Fotos illustrieren die ungewöhnliche Geschichte dieses "Bahnhofs der Tränen", in dem sich das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Deutschen über die Mauer hinweg zeigte und der für manchen Westdeutschen der erste Kontakt mit der DDR war.
Der Autor Dr. Philipp Springer, Jahrgang 1970, studierte Geschichte, osteuropäische Geschichte und Religionswissenschaften in Göttingen und Berlin und promovierte 2005. Er arbeitet an Forschungsprojekten u. a. für die Stiftung Topographie des Terrors und das Deutsche Historische Museum und ist zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Archivabteilung der Stasiunterlagen-Behörde (BStU).
Das Buch erscheint im Ch. Links Verlag, Berlin und kostet EUR 19,90. ISBN 978-3-86153-719-9.

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