- am 02.02.2015
- auf der Aktuellseite Anhalt und Sachsen
- in der Kategorie Verkehrsverbund Mittelsachsen
Zu Besuch auf der Strecke Cranzahl-Chomutov: Einen Monat nach Stilllegung
Kurz vor dem Fahrplanwechsel im Dezember 2014 verkehrte letztmalig ein Regionalzug im Ausflugsverkehr von Chemnitz über Cranzahl nach Weipert (Vejprty) und Komotau (Chomutov). Die Einstellung des Personenverkehrs
zwischen Cranzahl und den benachbarten tschechischen Erzgebirgsorten verwundert schon etwas, zumal die Gegend um Weipert und Schmiedeberg (Kovářská), unweit des Kurorts Oberwiesenthal gelegen, zum Zentrum des Wintersports im Erzgebirge gehören: Der Fichtelberg und der Keilberg (Klínovec), die beiden höchsten Erhebungen der Region, liegen in Wander- oder Langlaufentfernung von den Bahnhöfen der „Buschtěhrader Eisenbahn“ (wie die Strecke zu ihrer Bauzeit hieß) entfernt. Der Tourismus im Erzgebirge scheint auch in den letzten Jahren nicht übermäßig eingebrochen zu sein, wenn man sich die vollen Skipisten und Skibusse anschaut. Was führte also zur Einstellung des Personenverkehrs auf der Buschtěhrader Eisenbahn inmitten des Zentralerzgebirges? Zum einen sollen die niedrigen Fahrgastzahlen (vor allem südlich des Bahnhofs Cranzahl, in dem die meisten Fahrgäste auf die Fichtelbergbahn umstiegen), zum anderen der schlechte bauliche Zustand des tschechischen Streckenteils Ursachen für die Aufgabe der Strecke gewesen sein. Zuletzt gab es ohnehin keine durchgehenden Züge mehr, in Weipert mussten die Fahrgäste umsteigen, auch deshalb verlor die Verbindung weiter an Attraktivität.
Doch zunächst ein Blick zurück: Die Strecke zwischen Annaberg, Cranzahl, Weipert und Komotau wurde im August 1872 eröffnet und erfreute sich vor allem bei den Wintersportlern großer Beliebtheit. Der grenzüberschreitende Personenverkehr war zwischen 1945 und 1993 unterbrochen, doch in den 1990er Jahren erfolgten dann aus EU-Mitteln einige Investitionen für den Wiederaufbau. So konnte z.B. die marode Grenzbrücke erneuert werden konnte, um auch wieder einen grenzüberschreitenden Güterverkehr zu ermöglichen. Das „Wiederaufblühen“ der Strecke wehrte aber nur wenige Jahre: Im Dezember 2007 erfolgte dann die Abbestellung des regelmäßigen tschechischen Regionalverkehrs zwischen Weipert und Komotau. Lediglich einige Ausflugszüge, so z.B. der Erzgebirgsbahn zwischen Leipzig, Cranzahl und Komotau, verkehrten seitdem noch auf der Strecke.
BahnInfo war im Januar 2015 auf der Strecke zwischen Weipert und Schmiedeberg unterwegs, gut einen Monat nach der Einstellung auch dieses letzten Bahnverkehrs. Zwischen den tschechischen Grenzdörfern gibt es heute nur
noch einen regen Busverkehr, der auch direkt die Skipisten beiderseits der Grenze anfährt.
Die Straße zwischen Hammerunterwiesenthal (hier hält die Fichtelbergbahn der SDG) und Böhmisch Hammer (České Hamry) war bei unserer Rundgang entlang der Strecke für Autos gesperrt. Die wenigen Fußspuren im Schnee verrieten außerdem, dass kaum ein Fußgänger hier in den vergangenen Tagen über die Grenze wollte.
Vermutlich war der mangelnde Austausch zwischen den deutschen und tschechischen Bergbewohnern der Hauptgrund für die Einstellung des Personenverkehrs auf der Buschtěhrader Eisenbahn (von einigen sächsischen Tank- und Zigarettentouristen in Weipert abgesehen). Die mangelnde Verknüpfung der beiden Grenzregionen scheint auch den Auftraggebern des Nahverkehrs in Sachsen und der Region Aussig aufgefallen zu sein, als man kürzlich beschloss, die Strecke aufzugeben. Die Frage war aber weniger, ob rein aus eisenbahn-nostalgischen Gründen eine solche Verbindung aufrechterhalten werden sollte oder ob die Aufgabe der Strecke mangels Fahrgästen ein falsches
Signal in Zeiten eines zusammenwachsenden Europas ist? Würden nicht vielleicht geringfügige Veränderungen des Betriebs mehr Fahrgäste in dieser touristisch eigentlich recht gefragten Region bringen? Die Bahnhöfe an der Strecke lagen beispielsweise sehr weit von den Ortszentren entfernt: In Weipert, Schmiedeberg und Kupferberg gab es sogar zwei Haltepunkte, die längere Fußwege vom Ortskern erforderten. Die tschechischen Skibusse fahren die ehemaligen Haltepunkte auch nicht an, selbst an Stellen, an denen die Busroute die Bahnstrecke kreuzt.
Sicher wäre auch ein grenzüberschreitendes touristisches Ticket für die Erzgebirgsregion sinnvoll, dass die Züge der Erzgebirgsbahn, der Fichtelbergbahn, der tschechischen Busse und der Skibusse mit einschließt, um den Bahnverkehr zu beleben.
Noch scheint die Trasse der Buschtěhrader Eisenbahn nicht entwidmet zu sein, die Bahnhöfe und Bahnanlagen auf tschechischer Seite machen aber bereits einen sehr trostlosen und verfallenen Eindruck. Bleibt zu hoffen,
dass jetzt – obwohl es schon „fünf nach zwölf“ für die ehemalige Strecke ist, endlich eine Lösung für eine gute
Schienenverkehrsanbindung zwischen Deutschland und Tschechien im Zentralerzgebirge gesucht wird und die bereits brachliegende, aber noch zu rettende historische Verbindung in dieses Konzept integriert werden könnte.
> weitere Fotos / Karte der Strecke bei BahnInfo regional
Foto: Unter tiefem Schnee liegen die Gleise in Weipert, 1. Februar 2015
Alle Rechte an den hier veröffentlichten Texten und Bildern liegen ausschließlich bei BahnInfo
bzw. den jeweiligen Autoren. Eine weitere Veröffentlichung der Bilder und Texte (dazu zählt
auch die Verwendung auf anderen Internetseiten) ist ausschließlich mit vorheriger schriftlicher
Genehmigung der BahnInfo-Redaktion bzw. des jeweiligen Autoren gestattet.