- am 31.07.2013
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Wann bekommt Sylt endlich seine Inselbahn zurück?
Alljährlich in den Sommermonaten zieht es Urlauber aus ganz Deutschland auf die nördlichste Nordseeinsel der Republik: Sylt. Zwar ist Sylt nicht über eine Straße mit dem Festland verbunden, doch das hält nur wenige Feriengäste davon ab, das eigene Auto mit auf die Insel zu nehmen: Mindestens stündlich verkehrt ein Autoreisezug der Deutschen Bahn von Niebüll auf die Insel. Stattliche 44-49 Euro pro Strecke zahlen die Fahrgäste, um im Urlaub motorisiert das Eiland erkunden zu können. Alternativ gibt es auch noch eine Fährverbindung von List über die dänische Insel Röm, die mit einem Autodamm ans Festland angebunden ist.
Zum einen dient das Auto auf Sylt vielen Urlaubern als Statussymbol; versammeln sich hier die neusten und exklusivsten Modelle deutscher Oberklassehersteller, zum anderen wird es auch oft mangels anderer attraktiver Verkehrsmittel auf der Insel benutzt: Gerade Urlauber ,die nicht im Hauptort Westerland (oder den von der Bahn angefahrenen Gemeinden Keitum und Morsum) wohnen, kommen oft ohne Auto nur umständlich mit einem selten verkehrenden Bus oder einem Taxi in ihre Ferienorte und sind vor Ort aufs Fahrrad angewiesen.
Dabei gab es bis 1970 eine Inselbahn, die alle Orte und Strände auf Sylt untereinander verband und auch den Fernbahnhof der Bundesbahn in Westerland anfuhr. Die Inselbahn wurde 1888 mit einer Strecke vom alten Fährhafen Munkmarsch nach Westerland eröffnet. Bis zum Bau des Hindenburgdamms 1927 war die Anreise über den heute dänischen Hafen Hoyer per Schiff nach Munkmarsch und dann weiter mit der Inselbahn also gang und gäbe für viele Feriengäste. Die Inselbahn wurde in den Folgejahren sukzessive erweitert: 1901 ging es von Westerland bis zum Südhafen Hörnum und ab 1908 bis nach List im äußersten Nordosten der Insel. Gemäß der Autoeuphorie der 1960er Jahre entschied man sich, die Jahre lang vernachlässigte und erneuerungsbedürftige Inselbahn einzustellen; die Fahrgäste blieben außerhalb der Hochsaison ohnehin aus – man hatte ja jetzt einen eigenen PKW vorm Ferienhaus stehen. An die Stelle der Inselbahn traten Busse. Die alte Trasse wurde in einen heute sehr beliebten Rad- und Fußweg umgewandelt (s. Foto). Das Auto blieb bis heute Hauptverkehrsmittel auf Sylt.
Immer wieder wurden Stimmen laut, die Sylter Inselbahn zu reaktivieren. Sei es von Bahnnostalgikern, Anwohnern, die unter der sommerlichen Blechlawine leiden oder von ambitionierten Nachwuchsverkehrsplanern. Eine richtige Hoffnung, dass eines Tages mal wieder List, Hörnum und Kampen einen Bahnhof erhalten könnten, hat aber heute kaum jemand mehr auf Sylt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass wohl niemand eine Bahn will, die zum einem teures Bauland benötigen würde (und in Sylt ist jeder Quadratmeter bekanntlich ein Vermögen wert) oder die in seltenem Takt an den Ortszentren vorbei verkehrt. Leider wird der Busverkehr der Insel bei Diskussionen um die Zukunft des Sylter ÖPNV gerne als Vorbild angeführt; doch Busse dürfen eigentlich generell nicht als Vorläufer für Bahnverbindungen angesehen werden – oft erzielte eine wiederaufgebaute Bahn bedeutend mehr Fahrgäste als eine bestehende Busverbindung. Busse gelten als stickig und voll, selten verkehrend (auch wenn es nicht stimmt) und vielen sensiblen Fahrgästen wird in Bussen übel – verkehrspsychologisch ist der Bus also oft kein attraktives Verkehrsmittel, auch wenn Reisezeiten und Anbindungen stimmen. Auf Sylt verkehren die Haupt-Busverbindungen nur im 20-Minuten-Takt, oft seltener, die sind Fahrscheine sehr teuer (7 Euro kostet die 33 km lange Fahrt von Hörnum nach List, dreimal so viel wie eine vergleichbare Distanz in Berlin) und nur bei Einzelfahrscheinen für ein- und ausbrechenden Fahrten gilt der Schlewig-Holstein-Tarif. Das beliebte Schleswig-Holstein-Ticket, welches wohl die meisten Sylt-Tagesausflügler nutzen, ist in den Bussen nicht gültig. Aber so viel zu den tariflichen Hindernissen, viel wichtiger ist die Schaffung eines attraktiven Nahverkehrssystems mit modernen geräumigen Zügen – Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme sind sicher ebenso wichtig auf Sylt wie eine dichte Haltestellenfolge in den Ortschaften und nahe der Strände.
Da Bauland auf Sylt knapp ist und die Inselbahntrasse als Radweg gut angenommen wird, bleiben also hauptsächlich die Nebenstraßen oder der Seitenstreifen der L24 als Platz für eine neue Schienenverkehrsverbindung. Und was wäre so ein sinnvolleres, platzsparendes und umweltfreundliches Verkehrsmittel, welches eine breite Akzeptanz genießt? Die gute alte Straßenbahn! Beispielsweise mit zwei Linien - einer Durchmesserstrecke von List, Kampen, Wennigstedt über Westerland und Rantum nach Hörnum und einer Ringlinie von Westerland über Wennigstedt, Braderup, Munkmarsch, Keitum und Tinnum ließen sich alle Orte gut miteinander verbinden. Und wenn die neue Sylter Inselstraßenbahn barrierefrei mit modernen Zügen daher käme, wie bspw. in Barcelona oder Paris, wo das System Straßenbahn auch eine „Wiedergeburt“ erfuhr, dann ließe sich vielleicht auch der ein oder andere Sylturlauber, der bislang auf das Auto schwor, zum Umsteigen bewegen. Zumindest würde ein neues Verkehrssystem gut zu einer Insel passen, die im Nationalpark liegt und stark von Umwelteinflüssen bedroht ist – Geld dafür dürfte zumindest auf Sylt reichlich vorhanden sein.
Foto: Eines der wenigen Überbleibsel der Inselbahn: Gleisreste bei Puan Klent, Juli 2013; Foto: Autor
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